Wenn Linien erzählen – Neurographik und Biografiearbeit als Weg zu mir selbst
- bettinastrunk
- 10. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 11. Okt.

Der Moment, an dem alles stillstand – und neu begann
Es war im November 2020. Ich befand mich am Ende eines langen Klinikaufenthalts, in dem ich herauszufinden suchte, weshalb ich mehrere Jahre zuvor aus einem erfüllten und erfolgreichen Leben „herausgekickt“ worden war. Eine intensive, wenn auch erkenntnisreiche Zeit, und so schmerzhafte Jahre, die mich immer wieder an meine Grenzen brachten, lagen hinter mir.
Nun durfte ich mein neues Leben beginnen – voller Tatendrang, auch wenn ich noch nicht die Kraft hatte, ihm immer nachzukommen, wenn ich es wollte. Trotzdem sollten meine Träume und Ideen endlich Raum bekommen.
Erste Schritte in die bildende Kunst
Seit meiner Kindheit fand ich meinen kreativen Ausdruck ausschließlich in der Musik. Der Umgang mit Farben, das Malen – davon war ich überzeugt – waren mir nicht in die Wiege gelegt worden.
Doch dann entdeckte ich plötzlich die bildende Kunst für mich: Acrylmalerei, Speckstein, Monotypie, Collagen. Nicht nur während der Zeit in der Klinik, auch danach probierte ich vieles aus, suchte und experimentierte.
Eine kleine Auswahl meiner Arbeiten findest du in meiner Galerie.
Der Moment, der alles veränderte – mein erster Kontakt mit der Neurographik
Doch was hat das alles mit dem Thema dieses Artikels zu tun? Geduld – ich muss dafür ein klein wenig ausholen.
Im November 2020 sah ich zum ersten Mal ein neurographisches Bild: den NeuroBaum, den eine Mitpatientin zeichnete. Er traf mich mitten ins Herz. Gespannt hörte ich zu, welche Idee hinter diesen besonderen Linien steckte.
Obwohl ich einen starken Drang verspürte, selbst solche Linien zu zeichnen, gab ich ihm nicht nach. Vielleicht war es der Widerstand, etwas so Unbekanntes zuzulassen – vielleicht auch der Wunsch, nicht noch mehr Neues in mein ohnehin bewegtes Leben zu holen. Also wies ich dem NeuroBaum erst einmal einen Platz in meinem Unterbewusstsein zu.
Vom Ausprobieren zum erfüllten Weg
Einige Monate später erinnerte ich mich wieder daran – an den Baum und an die Gefühle, die allein sein Anblick in mir ausgelöst hatte. Die Acrylmalerei erfüllte mich, warum auch immer, nicht mehr. Ich fühlte mich unruhig und suchte nach einem neuen Weg.
Im Internet fand ich bald heraus, was es mit dem NeuroBaum auf sich hatte – und vor allem, wo ich diese Methode erlernen konnte. Von da an ging alles ganz schnell.
Ich absolvierte den Basiskurs, dann den Spezialisten, arbeitete ein Jahr für das Institut für Kreativitätspsychologie (IKP) und schloss meine Ausbildung zur Neurographik-Trainerin und Ästhetischen Coachin ab.
Nicht nur das Lernen an sich machte mir unglaublich viel Freude – vor allem war es die Wirkung, die diese Bilder in mir hinterließen. Plötzlich konnte ich selbst schwere Themen mit einer Leichtigkeit bearbeiten, die ich mir nie hätte vorstellen können.
Und das Beste: Ich fühlte mich erfüllt.
„Selbsthilfe“ – ein Bild, das zu mir sprach
Meine Bilder waren von Anfang an mehr als ein ästhetischer Ausdruck (anfangs noch nicht einmal das). Sie waren ein Teil von mir – ehrlich, tiefgehend und aufdeckend. Heute weiß ich, wie sehr sie mir den Weg in mein neues Leben geebnet haben.
In einem Blogartikel erzähle ich von einem mir sehr wichtigen Bild, entstanden ganz am Anfang meines Basiskurses. Wenn ich es mir heute anschaue, erkenne ich so einige „Fehler“ – und trotzdem hatte es eine unglaubliche Wirkung: dieses Bild mit dem Titel „Selbsthilfe“.
Ich spüre noch heute die Erleichterung am Ende des Zeichnens, als ich alles hineingegeben hatte, was mich aufwühlte. Ich erinnere mich daran, als wäre es gestern gewesen.
Neurographik als Sprache meiner Seele
Aber weshalb erinnere ich mich so genau daran – und nicht nur an dieses, sondern an so viele meiner Bilder? Ich glaube, es liegt an der Sprache.
Einer Sprache, die mit nur vier „Vokabeln“ auskommt und es dennoch schafft, mein Inneres zu durchleuchten, ohne ein einziges Wort zu sprechen. Es braucht kein „Ich kann das nicht erklären“ und kein „Mir fehlen die Worte“.
Ich bin sicher, dass es genau das ist, was die Neurographik, manchmal fast geheimnisvoll, in sich birgt.
Vom Verstehen zur Transformation
Das, was ich durch die Neurographik geschenkt bekommen habe, gebe ich heute weiter – voller Begeisterung, weil ich um ihre Wirkung weiß. Ich möchte Menschen helfen, denen ihre Lebendigkeit und ihr Selbstvertrauen abhandengekommen sind – so wie mir damals.
Ich weiß, wovon ich spreche. Und ich weiß, dass die Neurographik einen wunderbaren Weg eröffnet, hin zu einem selbst gestalteten Leben.
Nicht immer ist da sofort Glück, doch mein Blick geht immer nach vorn – bis ich am Ende den Perspektivwechsel beinahe körperlich spüre.
Ja, das ist es wohl: der neue Blick, mit dem ich auf scheinbar Unauflösbares schauen darf. Voller Dankbarkeit begrüße ich die Veränderung – so klein sie manchmal auch sein mag.
Wenn Linien Biografie schreiben – Neurographik und Biografiearbeit
In den letzten Jahren habe ich viele Workshops und Coachings gegeben. Ich spürte bei den Menschen, mit denen ich arbeitete, wie sehr sie verstehen wollten, was sie an diesen Punkt ihres Lebens gebracht hatte.
Auch ich wollte verstehen – mit jedem Bild, das ich zeichnete. Und irgendwann verstand ich wirklich: Ich kann mein heutiges Leben – und erst recht die Jahre meiner Krise – nicht von meiner Biografie trennen.
Das war bislang das Puzzlestück, das noch fehlte.
So absolvierte ich schließlich eine Ausbildung zur Biografiearbeiterin. Ich ahnte zwar, dass sich Neurographik und Biografiearbeit gut verbinden lassen würden – aber nicht, wie viele Parallelen und wie viel Resonanz es zwischen beiden gibt.
Als Beispiel fällt mir immer wieder der NeuroBaum ein, den ich inzwischen unzählige Male gezeichnet habe – denn es gibt nicht den NeuroBaum – und der mich in seiner Kraft jedes Mal aufs Neue überwältigt.
Heute weiß ich, weshalb mich gerade der Baum so „geflasht“ hat: Er ist das Sinnbild dafür, dass ich mein Leben rückwärts verstehen und vorwärts gestalten darf.
Mit ihm betrachte ich meine Vergangenheit, meine Gegenwart und meine Zukunft. In jedem Augenblick bleibe ich selbstwirksam – denn ich entscheide, was auf meinem Blatt Platz findet und was nicht.
Neurographik meets Biografiearbeit – oder auch umgekehrt
Ich habe das Puzzlestück gefunden – und es fühlt sich so gut an.
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