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Ich bin (nicht) allein

Aktualisiert: 7. Apr.



Zwei Aussagen in einer Überschrift und beide sind in meiner Wahrnehmung richtig. Ich erzähle nichts Neues, wenn ich sage, dass ich allein sein kann, aber nicht allein bin. Genauso wie ich oft meine, alleine zu sein, obwohl ich nicht alleine bin.

Ehe es zu abgefahren wird, möchte ich über ein Phänomen nachdenken, das sich mir seit der Pandemie noch umso stärker zeigt: Wir haben uns zurückgezogen, auch wenn wir meinen, dass uns die Angst vor der Ansteckung, die wir damals spürten, nicht mehr im Griff hat. Und vielleicht ist es ja sogar bei den meisten so. Ich selber habe eigentlich nicht mehr diese Angst, auch wenn ich immer noch zusammenzucke, wenn in der Bahn neben mir jemand hustet. Tja, so sind wir Menschen: die Konditionierung in die eine Richtung funktioniert ruckzuck, in die andere, nämlich wieder zurück, ist es weit schwieriger. Das ist wohl auch der Grund, weshalb die Onlineangebote boomen, das real Life in Gruppen aber immer weniger wird. So sehr haben wir uns daran gewöhnt, alleine in unseren vier Wänden zu sein. Ich meine, man merkt es uns auch irgendwie auch an. Aberdarüber weiter nachzudenken, würde jetzt den Rahmen dieses Beitrags übersteigen.


Nur das noch: Es gibt viele Menschen, die nur sehr schwer allein sein können und deshalb stets den Kontakt zu anderen Menschen suchen. Und nicht selten stellen sie fest, dass sie gerade dann auch sehr einsam sind. Paradox, irgendwie.

All das hat letztendlich aber auch viel mit Bewusstheit zu tun. Ich muss mich ja diesem Gefühl stellen. Ansonsten kann ich es gar nicht so oder so einordnen. Der springende Punkt ist aber, nun aus dem Gefühl heraus - denn mehr ist es ja zunächst nicht - eine Entscheidung zu treffen: ganz bewusst die Gemeinschaft suchen oder ganz bewusst alleine bleiben und trotzdem die Zeit für schöne Dinge nutzen? Die Entscheidung, wie ich diesen Zustand bewerte, liegt ja ganz allein (!) bei mir. Genauso wie das, was ich daraus mache. Das ist meine Selbstwirksamkeit, über ide ich so gerne nachdenke, und die so viel größer ist als ich meistens glaube. In dem Augenblick, in dem ich bewusst das eine oder andere tue, zulasse, verändere ..., meldet sich mein Selbst und zeigt mir, wie stark ich eigentlich bin, indem ich mich, egal von welchem Gefühl, nicht bestimmen lasse.


Nur - so leicht ist es eben längst nicht immer. Wie schnell machen sich dann Schmerz und Trauer in mir breit, wenn ich merke, dass ich allein bin, zum Beispiel in meiner Sorge um diese, meine Welt, um die Welt meiner Kinder? Wenn ich die Verantwortung spüre für die nachfolgenden Generationen, aber mir das Gegenüber fehlt, das mir zuhört?

Aber genau diese Gefühle wahrzunehmen, ist so wichtig. Ich darf mir erlauben, Trauer und Schmerz zu empfinden, ihnen für eine gewisse Zeit Raum zu geben. Denn, und das ist ja das Gute daran, je mehr Raum ich diesen Gefühlen bewusst gebe, desto weniger Macht haben sie über mich. Viel besser noch: Ich bin so viel mehr als meine Gefühle. Ich bin ich!


Und spätestens dann kommt in mir Hoffnung auf. Hoffnung, dass doch noch alles anders, aber gut wird. Dann wird mir auch klar, dass ich Hoffnung, Freude oder Liebe und all die anderen "positiven" Gefühle gar nicht empfinden könnte, gäbe es nicht auch die Trauer und all das, was mich manchmal fortspülen möchte. Ich kann nicht das eine wollen und das andere meiden. Dann nämlich sind Hoffnung, Freude und Liebe nicht echt, sondern nur eine sehr wackelige Angelegenheit.


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